Weiterbildung sei nicht bloss Sache der Arbeitnehmer, sondern auch eine wichtige Aufgabe der Arbeitgeber, mahnt Travail.Suisse im Hinblick auf das erste eidgenössische Weiterbildungsgesetz (WeBiG), das am 1. Januar 2017 in Kraft treten wird. «Das neue WeBiG fordert von den Arbeitgebern, die Weiterbildung ihrer Angestellten in den Unternehmen zum Thema zu machen», äussert sich Adrian Wüthrich (Huttwil), Präsident der Arbeitnehmer-Dachorganisation Travail.Suisse zum neuen Gesetz.
Travail.Suisse bezeichnet das erste eidgenössische Weiterbildungsgesetz als Meilenstein in der Lebenswelt der Arbeitnehmenden. Man habe die Schaffung dieses Gesetzes massgeblich geprägt und sehe der Inkraftsetzung mit Freude und Genugtuung entgegen, lässt sich Präsident Adrian Wüthrich verlauten. Die aktuelle wirtschaftliche Grosswetterlage ist für die Arbeitnehmenden nicht rosig. Der Trend bei den Arbeitslosenzahlen zeigt nach oben. Die Frankenstärke, die Demografie, der Fachkräftemangel und die Migration erhöhen den Druck auf die Arbeitnehmenden. Von ihnen wird Flexibilität und Anpassung an die neuen Gegebenheiten gefordert. Die Beschränkung der Zuwanderung aufgrund der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative und die dadurch nötige bessere Ausschöpfung des inländischen Arbeitspotenzials erfordern eine ständige Verbesserung der Fähigkeiten der Arbeitnehmenden. Die Welt ist komplexer geworden und das einmal erworbene Wissen muss ständig erneuert werden. Von besonderer Brisanz sind gegenwärtig vor allem die Digitalisierung der Welt und die neuen sozialen Medien. Das lebenslange Lernen ist Realität geworden. Das neue Weiterbildungsgesetz weist die Verantwortung klar den Individuen zu. Hinter der scheinbar einfachen Aussage «Der einzelne Mensch trägt die Verantwortung für seine Weiterbildung» steckt aber gemäss Wüthrich eine komplexe und vielfältige Aufgabe.
Es gehe darum, eine Weiterbildungsstrategie zu entwickeln, welche Dequalifizierungen vorbeugt, Antworten auf mögliche Gesundheitsprobleme bereit halte, die berufliche Motivation bewahre, Berufswechsel und horizontale Karrieren ermögliche, und zwar in einem Umfeld, das sowohl von persönlichen, technologischen und betrieblichen Veränderungen wie auch von einer überaus vielfältigen Bildungswelt mit unterschiedlichsten Angeboten geprägt sei. «Es wäre vermessen, zu behaupten, der Einzelne könne unter allen Bedingungen seine Verantwortung im Bereich der Weiterbildung wahrnehmen. Je nach Situation muss er unterstützt werden», lautet Adrian Wüthrichs Schlussfolgerung.
Weiterbildung zum Thema machen
Deshalb verlange das neue WeBiG von Bund und Kantonen, dass sie Voraussetzungen schaffen, die allen Personen die Teilnahme an Weiterbildung ermögliche. Aber auch von öffentlichen und privaten Arbeitgebern, dass sie die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter «begünstigen». Das Wort «begünstigen» lasse sich aber nicht mit «Nichtstun» interpretieren, bemerkt der Präsident von Travail.Suisse. «Im Gegenteil: Das neue WeBiG fordert von den Arbeitgebern, die Weiterbildung ihrer Angestellten in den Unternehmen zum Thema zu machen.»
Obwohl unbestrittenermassen auch das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers zu den «geschützten Persönlichkeitsrechten» gehöre, fehle im OR bisher eine ausdrückliche Regelung bezüglich Weiterbildung. Mit dem WeBiG werde dieses Fehlen korrigiert. «Mit Artikel 5.2 WeBiG gehört nun die Weiterbildung eindeutig auch zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Er hat – wie es das Weiterbildungsgesetz sagt – die Weiterbildung seiner Mitarbeitenden zu begünstigen und damit die Arbeitsmarktfähigkeit seiner Mitarbeitenden zu erhalten», betont Adrian Wüthrich. Was das für den Arbeitgeber konkret bedeutet, darüber sagt das Weiterbildungsgesetz allerdings nichts aus. Es überlässt es der Selbstverantwortung der einzelnen Betriebe dies zu definieren. Wüthrich ist jedoch der Meinung: «Arbeitgeber, welche im Bereich der Weiterbildung zugunsten der Mitarbeitenden nichts unternehmen, handeln aber nicht selbstverantwortlich, sondern unverantwortlich.»
Walter Ryser
Travail.Suisse
Travail.Suisse ist eine Dachorganisation, der elf Verbände angehören. Diese Verbände vertreten 150’000 Mitglieder aus den verschiedensten Branchen und Bereichen der Privatwirtschaft und des Service public. Travail.Suisse vertritt die Interessen der Mitglieder dieser Verbände in Politik und Wirtschaft. Oberstes Ziel ist dabei, Rahmenbedingungen zu schaffen, welche den Arbeitnehmenden gute Arbeitsbedingungen, eine solide Aus- und Weiterbildung und eine verlässliche soziale Absicherung gewährleisten. Travail.Suisse hat Einsitz in Expertengruppen und ausserparlamentarischen Kommissionen und nimmt im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zu allen arbeitnehmerrelevanten Gesetzesänderungen Stellung. Verstärkt wird diese Tätigkeit durch konsequente Öffentlichkeitsarbeit. Travail.Suisse hat die Tätigkeit am 1. Januar 2003 aufgenommen. Die Dachorganisation wird von Adrian Wüthrich präsidiert. Die Geschäftsstelle befindet sich in Bern.