Das kulturhistorische Museum der Zukunft neu entdecken

    Das Bernische Historische Museum ist momentan im Wandel. Das wichtige kulturhistorische Haus will als engagierter Partner die Entwicklung der Vision «Museumsquartier Bern» vorantreiben. Direktor Dr. Thomas Pauli-Gabi nimmt uns mit durch die alten Mauern und erzählt über die Gesamtsanierung des Altbaus, die neue Museumsstrategie, ein spannendes Kinderprogramm sowie neue Ausstellungen.

    (Bilder: zVg) Direktor Dr. Thomas Pauli-Gabi: «Unser grosses Anliegen ist es, die Kinder für Geschichte zu begeistern.»

    Wie sind Sie mit dem letztjährigen Museumsjahr zufrieden?
    Dr. Thomas Pauli-Gabi: Unsere vielen Projekte im Sammlungs- und im Publikumsbereich sind auf Kurs, die Besuchszahlen waren trotz Corona sehr erfreulich und unser Team wurde grossenteils von der Pandemie verschont. Wir sind mit dem Museumsjahr 2021 rundum zufrieden.

    Das Bernische Historische Museum ist eines der bedeutendsten kulturhistorischen Museen der Schweiz. Können Sie einen kurzen Überblick geben?
    Wenn man die Bedeutung eines Museums an den Besuchszahlen (100’000 pro Jahr) am Umfang und an der Qualität der Sammlung (560’000 Objekte mit internationalen Spitzenobjekten) und an der Gesamtfläche (16’000 m2) festlegt, dann steht das Bernisches Historische Museum (BHM) in der Schweiz an zweiter Stelle hinter dem Landesmuseum in Zürich. Einzigartig ist die Zusammensetzung unserer Sammlung. Neben den historischen Objekten umfasst diese auch sehr grosse archäologische, ethnografische und numismatische Bestände. Mit diesem geografisch breiten und zeitlich weit zurückreichenden Sammlungsspektrum können wir in der Vermittlung aus vielen Kulturen und Epochen schöpfen.

    Das Erneuerungsprojekt des historischen Schlossgebäudes am Helvetiaplatz wurde endlich begonnen. Was beinhaltet es und welche Bedeutung hat es für das Historisches Museum?
    Die Gesamtsanierung des Altbaus ist dringend nötig und das wichtigste Vorhaben in den nächsten Jahren. Seit der Museumsgründung vor rund 130 Jahren wurde jeweils nur partiell renoviert. Entstanden ist daraus ein Flickenteppich, der hohe betriebliche Kosten, eine miserable CO2-Bilanz und eine komplizierte Besuchsführung verursacht. Im Zuge der baulichen Ertüchtigung wollen wir natürlich auch den Publikumsbereich neugestalten. Darin liegt eine fantastische Chance: das kulturhistorische Museum der Zukunft neu zu denken.

    (Bild: Bernisches Historisches Museum/Stefan Wermuth) Die aktuelle Ausstellung «Mythos Samurai» nimmt die Besucher auf eine Reise ins sagenumwobene Japan mit.

    Kürzlich wurde der Verein Museumsquartier gegründet. Was sind die Ziele dieses Vereins?
    Der Kern des Vereins besteht aus den vier grossen, nah beieinander liegenden Museen: Alpines Museum der Schweiz, Museum für Kommunikation, Naturhistorisches Museum und Bernisches Historisches Museum. Weitere Kulturhäuser, wie die Schweizerische Nationalbibliothek und die Kunsthalle, erweitern das Spektrum. Die insgesamt 11 Institutionen wollen die Vielfalt ihrer Sammlungen und Kompetenzen zur Kreation von innovativen Vermittlungs- und Teilhabeformaten nutzen. Das Thema Transformation steht im Zentrum. Dabei stehen uns nicht nur die Ausstellungsflächen in den verschiedenen Häusern zur Verfügung, sondern auch ein zentral liegender Museumsgarten. Mit einer jährlich wechselnden Programmierung und einem Dachmarketing soll dieses schweizweit einzigartige Museumsprojekt schrittweise nationale Ausstrahlung und Resonanz erreichen.

    Das Museumsteam und der Stiftungsrat haben letztes Jahr eine neu Museumsstrategie erarbeitet. Was sind die wesentlichen Punkte?
    Die neue Museumsstrategie trägt den Titel «Da geht die Reise hin». Sie soll uns in allen Aufgabenbereichen mit einer klaren Haltung und konkreten strategischen Zielen leiten. Dies gilt für die Planung der Jahresprogramme genauso wie für die Pflege der Sammlung. Die Positionierung bringt zum Ausdruck, wie wir die Strategie in den kommenden Jahren umsetzen wollen:

    • Als ein Kulturspeicher, wo die Geschichte Berns im Spiegel kultureller Vielfalt und aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird.
    • Als Resonanzraum für aktuelle gesellschaftliche Themen, die mit historischer Tiefenschärfe beleuchtet werden.
    • Als offenes Haus, in welchem Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Vorwissen zusammenkommen, um sich auszutauschen und das Geschehen im Museum mitzubestimmen.
    • Aus einer experimentierfreudigen und kooperativen Haltung.
    • Auf der Basis einer gepflegten, erschlossenen Sammlung.
    • Mit einer sinnlichen, erzählerischen und unterhaltsamen Vermittlung.

    Wo muss man heute die Besucherinnen und Besucher abholen, damit sie begeistert nach Hause gehen?
    Im Grundsatz ist die Antwort einfach: wir müssen sie in spannende Geschichten entführen und in ihrer Lebenserfahrung abholen.

    Welchen Stellenwert hat die Digitalisierung bei Ihnen im Museum und wie reagieren die Besucherinnen und Besucher darauf?
    Die Bewirtschaftung der Sammlung läuft bei uns vollständig digital. Im Bereich der Vermittlung haben wir aber noch einen längeren Weg vor uns. In dieser Hinsicht sind wir in guter Gesellschaft. Die meisten Museen stehen punkto Digitalisierung im Publikumsbereich vor grossen Herausforderungen, die insbesondere im Aufbau von Fachwissen und bei der Beschaffung der nötigen finanziellen Ressourcen liegen.

    Im Historischen Museum gibt es auch für Kinder viel zu entdecken! Was sind hier die besonderen Attraktionen?
    Unser grosses Anliegen ist, die Kinder für Geschichte zu begeistern. In unserem wunderschönen Park können auf einem Parcours Steine gespalten, Holz zersägt, ein Holzkran bedient werden und einiges mehr. Zum 600-Jahre Jubiläum des Berner Münsters machen wir so mittelalterliches Handwerk 1:1 erfahrbar. Unsere Ausstellungen durchstreifen die kleinen Gäste auf spannende Rätselspuren, so auch in der aktuellen Samurai-Ausstellung.

    Was ist für dieses Jahr geplant und was sind die Höhepunkte im Museumsjahr 2022?
    Bei Bauarbeiten kommen jedes Jahr hochspannende archäologische Artefakte ans Tageslicht. Sie verschwinden dann in den Depots, ohne dass sie öffentlich gezeigt werden. Das werden wir ab September ändern. In der Ausstellung «Archäologie aktuell. Berner Funde frisch aus dem Boden» zeigen wir in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Dienst zweimal im Jahr solche Highlights aus laufenden Ausgrabungen. Einen Monat später sind im Format «Swiss Press Photo 22» die bestprämierten Pressefotos des vergangenen Jahres bei uns zu Gast. Höhepunkt für die Kleinen ist sicher das Märchen- und Geschichtenfestival «Klapperlapapp», das am 17. bis 18. September im Park Station macht. Im November halten die Toten Einzug im Museum. Zusammen mit der mexikanischen Botschaft feiern wir mit Musik, Tanz, Workshops und vielem mehr den «Día de Muertos». Bei diesem fröhlichen Fest, das zum Weltkulturerbe zählt, mischen sich präkolumbianische Traditionen mit christlichem Brauchtum.

    Was wünschen Sie sich persönlich für das diesjährige Museumsjahr?
    Viele Gäste aus nah und fern, die nach dem Eintauchen in vergangene Lebenswelten erfrischt, überrascht und bereichert das Museum wieder verlassen – mit der Absicht «hierhin komme ich bald wieder».

    Interview: Corinne Remund


    Aktuellen Ausstellungen

    In der Ausstellung «Mythos Samurai» reist man ins alte Japan, das über Jahrhunderte von der legendären Kriegerkaste beherrscht wurde. Anhand hochkarätiger Exponate, in grossen Bildern und beim Geschichtenhören taucht man in die faszinierende Welt des japanischen Schwertadels ein. Die Lieblingsgeschichte des Direktors Thomas Pauli-Gabi handelt von der Prinzessin Kirschblüte und der mythischen Geburt Japans.

    Die zweite Ausstellung «Das entfesselte Geld» nimmt ein aktuelles Thema auf. Woher kommt plötzlich dieses viele Geld? Es ist doch in unserer alltäglichen Erfahrung ein knappes Gut. Müssen wir uns angesichts der Geldschwemme in der Coronakrise und mit dem Aufkommen der Kryptowährungen Sorgen machen? In der Ausstellung wird die früheren Entfesselungsmomente des Geldes unter das historische Brennglas genommen und stellt mit Blick auf die aktuelle Situation die zentrale Frage: Können wir dem Geld noch vertrauen?

    CR

    www.bhm.ch

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