e-Rezepte – die Zeit ist reif

    Die Digitalisierung eröffnet grosse Innovationsmöglichkeiten. Der Verband Schweizerische Versandapotheken VSVA setzt sich dafür ein, dass diese für die Patientinnen und Patienten genutzt werden. Dabei fordert er auf politischer Ebene die Ermöglichung des Versandes von nichtrezeptpflichten Arzneimitteln sowie eine rasche Weiterentwicklung der E-Medikation und hier die verpflichtende Einführung von e-Rezepten – in der aktuellen Corona-Situation ein grosses Bedürfnis vieler Patientinnen und Patienten.

    Versandapotheken
    (Bilder: zVg) Die Einführung des eRezeptes ist längst fällig: Gerade in der aktuellen Situation des Coronavirus könnten so ältere wie auch Risikopatienten ihre Medikamente bequem in den eigenen vier Wänden in Empfang nehmen.

    Herr und Frau Schweizer haben letztes Jahr Medikamente, Beauty- und Personal Care-Produkte im Gesamtwert von 280 Mio. Franken (Fabrikabgabepreis) bei Versandapotheken gekauft. Im Vergleich dazu ist das Kostenvolumen mit 2’682 Mio. Franken bei stationären Apotheken erheblich höher. Häufig werden Medikamente und Arzneimittel für chronische Erkrankungen wie Diabetes, blutdrucksenkende Mittel per Versand beschaffen. «Das macht auch Sinn. Der Bedarf und die Nachfrage sind gross», stellt Walter Oberhänsli, Präsident des Verbandes der Schweizer Versandapotheken VSVA fest. Die Versandapotheken sind hingegen für den Medikamentenbezug bei akuten Beschwerden nicht der adäquate Kanal. Der Versandhandel hat mehrere Vorteile: Man kann Medikamente einfach übers Internet bestellen und die Lieferung erfolgt direkt und diskret nach Hause oder an den gewünschten Ort. Die Rezepte und die Bestellungen werden vor dem Versand von mehreren pharmazeutischen Fachpersonen mehrfach geprüft. Der Versandprozess ist stark digitalisiert und verfügt über automatisierte Kontrollen – somit ist die Sicherheit für Patientinnen und Patienten gewährleistet. Die Anforderungen an die Kontrollen, bevor eine Sendung verschickt wird, sind sehr hoch – teilweise sogar höher als im stationären Verkauf. Hinzu kommt, dass rezeptpflichtige Medikamente online im Schnitt bis zu 12 Prozent günstiger sind als im Verkauf über stationäre Apotheken.

    Zeitgemässe Regelung des OTC-Marktes überfällig
    Trotz diesen Vorteilen ist es erstaunlich, wie wenig dieser bequeme, günstigere Kanal der Medikamentenbeschaffung genutzt wird – respektive genutzt werden kann. Der Grund dafür sind unzeitgemässe Regulierungen. So ist die heutige Regelung der sogenannten «Over The Counter» OTC-Medikamente – Arzneimittel, die in der Apotheke oder Drogerie ohne ärztliche Verordnung verkauft werden dürfen – paradox und absurd. «Diese OTC-Produkte dürfen wir nicht versenden», erklärt Oberhänsli. «Doch wer würde zum Beispiel für eine Bepanthen-Crème, die in Apotheken und Drogerien rezeptfrei erhältlich ist, einen Arzt aufsuchen und sich ein Rezept ausstellen lassen, um anschliessend die Crème online bestellen zu können»? In der Schweiz ist der Versand aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids von 2015 und dann durch die Revision des Heilmittelgesetzes durch das Parlament faktisch verunmöglicht, da für OTC-Produkte ein ärztliches Rezept verlangt wird. Damit grenzt sich die Schweiz auf dem Versandmarkt der rezeptfreien Arzneimittel selbst aus und ist das einzige Land in Europa mit einer solch unsinnigen Regulierung.

    Walter Oberhänsli, Präsident des Verbandes der Schweizer Versandapotheken VSVA: «Die Digitalisierung bietet Hand für grosse Innovationen – wenn man diese Gelegenheit wahrnimmt und wenn die Politik (endlich) dafür sorgt, dass es gleich lange Spiesse gibt im Markt.»

    Der Versand von nicht rezeptpflichtigen Medikamenten ist seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2003 nämlich EU-weit zugelassen. «Die freie Wahl des Bezugskanals von Medikamenten muss für die Patienten gewährleistet sein. Die aktuelle Regelung entspricht nicht dem modernen Einkaufsverhalten und behindert eine kostengünstige Versorgungstruktur», so Oberhänsli. Und er ergänzt: «Bei der Revision des Heilmittelgesetzes hat man verpasst den OTC-Markt fair zu regeln und dieses Geschäft bewusst den stationären Apotheken zugeschanzt. Das stellt eine unfaire Wettbewerbsverzerrung dar.»

    Der VSVA kämpft indessen gegen diese ungleich langen Spiesse in der Branche an. «Eine zeitgemässe Regelung ist überfällig. Denn Kundinnen und Kunden wollen den Versand», so Oberhänsli.

    Der Verband lobbyiert im Parlament für seine Anliegen bezüglich OTC-Abgabe mit ersten Silbersteifen am Horizont. «Zahlreiche Politikerinnen und Politiker, welche das Gesundheitswesen mit digitalen Lösungen modernisieren und gute Rahmenbedingungen für alle wollen, möchten den Art. 27 im Heilmittelgesetz korrigieren», sagt der CEO und Delegierte des Verwaltungsrats der Zur Rose-Gruppe. «Es dürfte diesbezüglich auch bald wieder entsprechende parlamentarische Vorstösse geben; zudem stehen wir auch mit den Fachleuten des Bundesamtes für Gesundheit BAG im Austausch.»

    Gleich lange Spiesse für alle Marktteilnehmer
    Unter demselben Kapitel abgehandelt werden kann auch die Einführung des längst fälligen e-Rezeptes. Hier braucht es eine Verpflichtung, dass Medizinalpersonen eRezepte ausstellen und bearbeiten. Denn in der Schweiz ist das eRezept zwar gesetzlich zugelassen, doch wird es mit dem obligatorischen elektronischen Patientendossier, dass per Mitte 2020 für Spitälern und Kliniken verpflichtend ist, nicht verbindlich eingeführt und basiert weiterhin auf Freiwilligkeit. In Deutschland wird das eRezept, unter anderem auch um Kostensenkungen erwirken zu können, 2020 gesetzlich verpflichtend eingeführt. Die nordischen Länder sind indessen im Gesundheitsweisen oftmals völlig digitalisiert und setzen schon seit längerer Zeit auf e-Rezepte – mit grossem Erfolg. «Sämtliche Bankgeschäfte werden schon lange elektronisch abgewickelt, aber die Digitalisierung im Gesundheitswesen steckt bei uns noch in den Kinderschuhen. Für mich ist das unbegreiflich», sagt Oberhänsli und konkretisiert: «eRezepte haben wesentliche Vorteile wie eine erhöhte Patientensicherheit, bessere Lesbarkeit und damit weniger Fehlmedikationen, was zu weniger Folgekosten führt.» Oberhänsli ist überzeugt, «dass kein Produkt geeigneter ist, auf dem eCommerce-Weg zur Kundschaft zu gelangen als Medikamente und Arzneimittel.» Deshalb setzt sich der Verband auf politischer Ebene auch dafür ein, dass der Rezeptierungsprozess digital vorgeschrieben und eingeführt wird. «Gerade in der aktuellen Situation mit dem Coronavirus ist das Bedürfnis nach e-Rezepten grösser denn je. Risikogruppen können Medikamente im Versand bestellen und so sicher zuhause versorgt werden», gibt Oberhänsli zu bedenken.

    Grosses Potenzial dank Digitalisierung
    Der VSVA und insbesondere auch die Mitglieder Zur Rose und Mediservice setzen sich stark für die Digitalisierung im Gesundheitswesen ein. «Es ist wichtig und nötig, dass wir den digitalen Fortschritt in diesem Bereich nutzen und so effizientere und kundenorientiertere Angebote bieten können», sagt Oberhänsli. Aber der Unternehmer ist sich bewusst, dass der Weg steinig ist, da noch nicht alle Akteure im Apothekermarkt und längst nicht alle gewählten Volksvertreter diese Haltung teilen. «Die Digitalisierung erlaubt es der Branche, sicher, effizient und kostengünstig Medikamente und OTC-Produkte zu verschicken. Das ist ein grosser Schritt hin zu mehr Kundenfreundlichkeit. Aber es braucht noch weitere Massnahmen, damit telepharmazeutische Massnahmen in den Versorgungs-Alltag eingebaut werden können – unter den nötigen, auch regulatorischen Rahmenbedingungen», so Oberhänsli und er doppelt nach: «Das Potenzial ist sehr gross, gerade in der Schweiz. Wir sprechen nicht nur von einer flächendeckend günstigen Medikamentenversorgung von höchster Qualität – sondern auch von innovativen Versicherungsmodellen, Programmen zur Steigerung der Therapietreue in Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten sowie HomeCare-Angebote bei komplexen Therapien.» Die Digitalisierung bietet Hand für grosse Innovationen – wenn man diese Gelegenheit wahrnimmt und wenn die Politik (endlich) dafür sorgt, dass es gleich lange Spiesse gibt im Markt – im Interesse aller Kunden und Patienten.

    www.vsva.ch

    Corinne Remund


    DAS MACHT DER VSVA

    Für eine wirtschaftliche Abgabe der Medikamente

    Der Verband der Schweizerischen Versandapotheken VSVA ist vor rund 15 Jahren aus der Notwendigkeit entstanden im Apothekermarkt für gleich lange Spiesse einzustehen und Diskriminierungen bezüglich Versandapotheken auszumerzen. Dafür bringt sich der Verband aktiv in die Politik ein und beteiligt sich an der Gestaltung von Rahmenbedingungen und gesetzlichen Bestimmungen. Ebenso kämpft er gegen unnötige und innovationshemmende Überregulierungen. Dazu ist der VSVA eng in Politik und Wirtschaft vernetzt und steht im Austausch mit den Dienstleistern im Gesundheitswesen, deren Verbänden sowie mit den verantwortlichen Behörden auf kantonaler und auf Bundesebene. Zu seinen Dienstleistungen gehören die Mitglieder über die Aktualitäten in der Branche zu informieren und Fachwissen anzubieten. Der VSVA setzt sich dafür ein, dass die Medikamentenabgabe so patientenfreundlich und gleichzeitig so wirtschaftlich wie möglich erfolgt. Er fördert kostengünstige Versorgungsstrukturen, welche den Bedürfnissen von Patientinnen und Patienten wie auch von Krankenversicherern entsprechen. Der VSVA besteht aus den beiden Mitgliedern «Zur Rose» und Mediservice. Beide Firmen haben gemeinsam den Hauptanteil der Schweizer Versandapotheken-Anteils inne, das heisst sie verfügen in der Schweiz zusammen über r und 80 Prozent Marktanteil. Daneben gibt es noch einige kleiner Anbieter.

    CR

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